Der Helmegau
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Der Helmegau ist eine 1888 veröffentlichte Abhandlung zur Vor- und Frühgeschichte der Nordhausen umgebenden Landschaft. Der Helmegau, auch Helmungowe genannt, war eine mittelalterliche Gaugrafschaft am Südostrand des Harzes. 2019 erschien eine Reprintauflage in zwei Teilen.
Inhalt und Methodik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Autoren leiteten die Grenzen des Helmegaues durch die Kombination natürlicher Gegebenheiten mit historischen und kirchenrechtlichen Kriterien ab.
Die Gaugrenzen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Gau ist nach dem Fluss Helme benannt. Die Helme entspringt unweit Stöckey an der Westgrenze des Kreises Nordhausen und durchfließt die Niederung zwischen den Vorbergen des Südharzes, der Windleite und des Kyffhäusers – bekannt als die „goldene Aue“ – bis sie unterhalb Wallhausen den Gau verlässt.
Die natürliche Grenze wird im Norden auf der Höhe des Südharzes, im Westen auf der Flussscheide des Elbe- und Wesergebietes und im Süden auf der Wasserscheide zwischen Helme und Thüringischer Wipper verortet. Die historischen Grenzen stimmen mit diesen natürlichen Gegebenheiten ziemlich genau überein.
Für die historische Festlegung stellten die Verfasser den Grundsatz auf, dass die Bistumsgrenzen, insbesondere am Harz, mit alten Stammesgrenzen übereinstimmen und hartnäckig bis in die Neuzeit hinein fest hielten. Die Grenze zwischen Mainz und Halberstadt war zugleich die Sprachgrenze der Sachsen und Thüringer. Im Mittelalter entsprach diese Grenze den Außengrenzen der Grafschaften Stolberg und Anhalt, Honstein und Blankenburg-Reinstein, sowie Clettenberg und Scharzfeld-Lauterberg.
- Die Nordostgrenze des Helmegaues (zugleich Südwestgrenze des Bistums Halberstadt) zieht sich von 781 bis 1179 belegt entlang des mächtigen, künstlich aufgeschütteten Grabens, der den Namen Sachsgraben trägt, bezeichnend als Grenze der Sachsen gegen die Thüringer.
- Die Nordgrenze fällt mit der Südgrenze des Bistums Halberstadt zusammen und verläuft vom Wichmannssteig und Rothaer Bach an der Wipperquelle am Ostfuße des Auerberges.
- Die Westgrenze fällt teilweise mit der Sprachgrenze zwischen Hoch- und Niederdeutschem zusammen, die als wahrscheinlich uralte Völkerscheide angesehen wird.
- Die Südgrenze ist der Höhenzug zwischen Helme und Thüringischer Wipper. Sie zieht sich vom Sachsgraben über das Steinthal zur Höhe des Kyffhäusergebirges, den Rennweg entlang, bis sie zur Grenze der Grafschaften Klettenberg und Lohra verläuft und am Löwenstein endet. Die Grafschaftsgrenze (wie bei Kehmstedt) ist jünger als die Gaugrenze; wo sie abwich, wurden besondere Marksteine gesetzt.
Die Untersuchung zeigt, dass an der Gaugrenze bestimmte Namen immer wiederkehren, die den Begriff der Grenze in sich tragen:
- Zusammensetzungen mit "Mark" (mhd. *mark*): Dazu gehören die hohe Mark (Ostgrenze) und das Markthal und Marktholz (Südgrenze).
- Zusammensetzungen mit "Schmiede" (abgeleitet von *sneite*, Schneide/Durchhau): Beispiele sind die Schmidshagenköpfe an der Ostgrenze.
- Zusammensetzungen mit "Lang": Beziehen sich auf die Lage "entlang" der Grenze (z. B. langer Grund, lange Wand).
- Zusammensetzungen mit "Rinne": Stehen für Scheidung, wie der Rennsteig am Kyffhäuser, der die Grenze zwischen den Ämtern Kelbra, Rothenburg und Frankenhausen bildet.
- Zusammensetzungen mit "Bar": (Mhd. *para* für Grenze, Schranke). Die Bera entspringt an der Nordgrenze; die Wüstung Bottdorf hieß urkundlich Bardorf.
- Zusammensetzungen mit "Stein": Steine und Steinhügel wurden als Grenzmale verwendet, wie der Löwenstein an der Südgrenze.
- Namen, die auf die Grenznachbarn hindeuten: Der Sachsgraben und das Friesenthal (nach dem Friesenfelde) an der Ostgrenze, sowie wahrscheinlich der Trogstein (Thüringstein) an der Westgrenze.
Die Centgrenzen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Centgrenze zwischen der unteren und mittleren Cent begann am Steinberg zwischen Heringen und Uthleben. Die Autoren vermuten, dass das Thal der Krummschlacht die Scheide zwischen der unteren und mittleren Cent war. Die Grenze zwischen der mittleren und oberen Cent begann am Teilberg oberhalb Steinbrücken und lief den Elbinger Bach hinab über die Schatlache und Alich zur alten Heerstraße. Von dort zog sie sich über den Holungsbügel (vom Volk Hohnspiegel genannt).
Besiedelung des Gaues
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Autoren betonten, dass es gewagt sei, aus der Endung eines Ortsnamens im Allgemeinen auf das Alter eines Ortes zu schließen; die Lage der Siedlungen sei entscheidender.
Die ältesten urkundlich genannten Orte (bis 980) sind Görsbach (780), Salza (802), Ellrich (874), Branderode (874), Gudersleben (9. Jahrhundert), Uftrungen (Ende des 9. Jahrhunderts), Wallhausen (909), Nordhausen (929) und Sundhausen (980).
Die Lage der Ortschaften lässt sich nach Endungen charakterisieren:
- Orte auf „ungen“ und „ingen“ liegen in breiten Tälern, auf gutem Boden im Helmetal an der Grenze des Überschwemmungsgebietes.
- Orte auf „leben“ liegen an größeren Flussläufen und auf fruchtbarem Boden, meist in der Thalsohle, aber außerhalb der Überschwemmungsgebiete. Diese Orte scheinen jüngeren Ursprungs zu sein als die auf „ungen“.
- Orte auf „stedt“ liegen zumeist ungünstiger, oft auf Kies, ehemals waldigem Hügelfelde oder gerodetem Waldboden.
- Orte auf „hausen“ (Wallhausen, Sundhausen, Windehausen) liegen in der Thalsohle und hatten ursprünglich Sumpfboden, sind teilweise noch heute von Überschwemmungen bedroht.
- Orte auf „dorf“ liegen durchgängig am Rande des Waldgebietes, in den Vortälern des Harzes, auf kärglichem Boden. Sie entstanden, als die günstigeren Stellen besetzt waren und man um das Ende des achten Jahrhunderts begann, den Wald zu roden und zu schwenden.
- Orte auf „rode“ scheinen sich zeitlich an die „dorf“-Gründungen anzuschließen, da einige Orte zwischen beiden Bezeichnungen schwanken. Sie entstanden durch die Rodung der mit Wald bedeckten Vorhöhen.
- Orte auf „schwende“ (wie Schwenda) sind wohl später entstanden und liegen auf dem Plateau des Südharzes.
Die Orte auf „burg“, „berg“ und „stein“ (wie Benneckenstein, Stolberg, Wolfsberg) sind unter dem Schutze von Burgen entstanden, die zumeist zur Sicherung der Harzstraßen und als Zollstätten angelegt wurden.
Herkunft der Gründungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Abhandlung identifiziert Gründungen mit wendischer oder teilweise wendischer Einwohnerschaft (z.B. Altwenden, Nausitz, Bielen). Auch flämische Gründungen wurden nachgewiesen, wie Vorrieth, Langenrieth, Görsbach (Unterdorf) und das augenscheinlich im sumpfigen Weidendickicht angelegte Weidenhorst.
Orte mit einfachen Namen wie Salza, Werna, Sachsa und Steina sind wahrscheinlich sehr alten Ursprungs. Jüngeren Datums sind hingegen Hamma, Espe, O, Zorge und Wieda. Die Endung "Sorge" (z.B. Zorge, Wieda) erscheint nicht in älteren Urkunden und wird als eine Neugründung deutschen Ursprungs erklärt, die "Arbeitsstätte" oder "Ort, wo man etwas zu besorgen hat" bedeutet.
Ausgaben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Karl Meyer, Richard Rackwitz, Vincent Eisfeld (Hrsg.): Der Helmegau. Vor- und Frühgeschichte der Nordhausen umgebenden Landschaft ; Teil 1. (= Quellen und Darstellungen zur Nordhäuser Stadtgeschichte ; Bd. 2). Nordhausen: Edition Nordhausen; Berlin: epubli, 2019. ISBN 978-3-7485-0384-2