Grasburg

Die Grasburg ist eine ehemalige Burganlage am Osthang des Alten Stolbergs zwischen Stempeda und Rottleberode. Sie wird in historischen und volkskundlichen Quellen als mögliche vorhistorische Fluchtburg bzw. Fliehburg beschrieben, auf der um 1300 eine Kapelle errichtet wurde. Die Grasburg ist vor allem durch eine Vielzahl von Sagen und Legenden bekannt, die sich um ihre Geschichte, Zerstörung und übernatürliche Ereignisse ranken.
Lage und Beschreibung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Grasburg ist eine Burgwallanlage mit einer Kirchenruine bei Stempeda. Sie befindet sich auf einem Bergsporn im Nordosten des Gipsgebirges Alter Stolberg an der Grenze zwischen dem Thyra- und dem Krebsbachtal, etwa 0,8 km westlich von Rottleberode. Die Burg wurde auf einem Untergrund aus jüngerem Zechsteingips errichtet und besteht aus Gips und Rotsandstein in Gipsmörtel.
Der Burgplatz ist nach Westen, Norden und Osten steil über Felsen abfallend und nach Süden durch einen Graben und einen hohen Vorwall vom Plateau abgegrenzt. Auf der Burg befindet sich die Ruine einer romanischen einschiffigen Kapelle mit einem abgesetzten Rechteckchor. Das Schiff ist etwa 6,5 x 10,5 m groß, während der Chor 3,50 x 5,35 m misst. Teile der Chor- und Schiffsmauern sowie die Giebelwand mit einer ausgebrochenen Choröffnung sind noch erhalten. In der Südwand des Chors befinden sich Rundbogenfensterchen (Spathfenster).
Am Fuß der Grasburg, etwa 200 m östlich am Krebsbach, gibt es einen 200 m langen Wall mit Vorgraben als Schutz für eine zur Burg gehörige Dienstmannensiedlung mit Mühle. Die Grasburger Mühle befindet sich am linken Ufer des Krebsbaches bei einer Höhe von 205 m NN.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Grasburg wird als kleine vorhistorische Fluchtburg angesehen, die möglicherweise bereits in prähistorischer Zeit genutzt wurde. Um das Jahr 1300 wurde auf der Höhe eine Kapelle gebaut. Historische Sagen berichten, dass an dieser Stelle die Stammburg der Grafen von Stolberg gestanden haben soll. Der Name „Grasburg“ leitet sich der Überlieferung nach davon ab, dass die Burg abgerissen und ihre Materialien für den Bau des Schlosses Stolberg in der Harzstadt verwendet wurden. Seitdem sei der Ort als grasbewachsene Ruine bekannt geblieben, und der umliegende Wald heiße "Alter Stolberg".
Die Verbindung zur Gründung des Hauses Stolberg ist eng mit der Region verknüpft. Graf Elger III. von Honstein übertrug kurz nach 1200 seinem Neffen Heinrich einen Harzforst, der zum Herrenhaus Rottleberode gehörte. Heinrich errichtete daraufhin die Burg Stolberg und nannte sich ab 1210 Graf von Stolberg. Die Grasburg wird in diesem Kontext als Teil des alten Rottleberöder Besitzes gesehen.
Es gibt keine geschichtlichen Nachrichten über die Burg und die Kapelle, aber es wird vermutet, dass sie in Verbindung mit dem Reichshof Rottleberode (843–880) und dem dortigen Grashof stehen.
Sagen und Legenden
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Grasburg ist Schauplatz zahlreicher Volkssagen, die typische Motive des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Sagenguts aufgreifen, wie vergrabene Schätze, Geistererscheinungen und Teufelspakte. Diese Sagen dienen oft der Erklärung des Namens, der Ruinenlage oder lokaler Naturphänomene und verbinden historische Erinnerungen mit übernatürlichen Elementen.
Die Sage vom italienischen Ritter
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine Sage aus der Zeit des Absolutismus, wahrscheinlich aus dem 17. Jahrhundert, erzählt von einem italienischen Ritter namens Otto de Columna (Colonna). Dieser habe um das Jahr 530 im Alten Stolberg einen schwarzen Hirsch erlegt und ihn dem römischen Kaiser Justinian verehrt. Als Belohnung sei er zum ersten Grafen von Stolberg ernannt worden. Diese Erzählung spiegelt die Tendenz absolutistischer Epochen wider, Adelsgeschlechter auf antike oder römische Ursprünge zurückzuführen. Die Burg soll anschließend abgerissen und in Stolberg neu aufgebaut worden sein, was den Namen "Grasburg" erkläre.
Die Glockensage
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine weitere Überlieferung bewahrt die Erinnerung an die Kapelle auf der Grasburg. In einem grausamen Krieg sei die Burg von feindlichen Horden erstürmt worden, wobei die Glocke der Burgkapelle den Abhang des Alten Stolbergs hinuntergestürzt sei. Sie fiel in einen mit Wasser gefüllten Erdfall und rief dabei: „Ich heiße Anne Susanne / Und komme nicht wieder zu Lande“. Der Erdfall wird seither als „Glockenloch“ bezeichnet. Diese Sage verbindet historische Kriegsereignisse mit einer personifizierten Glocke und erklärt eine lokale Landmarke.
Die Wandersage vom verliebten Mädchen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine der interessantesten Sagen ist eine Wandersage, die Motive aus westeuropäischem Sagengut aufgreift, wie die unerklärliche Hingabe einer Frau an einen Mann (vergleichbar mit Motiven in Werken wie Bürgers „Graf Walter“ oder Kleists „Käthchen von Heilbronn“). Auf der Grasburg hielt ein stolzer Ritter Hof. Ein Mädchen aus Rottleberode war so verliebt in ihn, dass es ihm ständig nachstellte. Da der Ritter sie ignorierte, rief sie den Teufel zu Hilfe. Dieser erschien als schwarzer Kater und führte sie nachts in des Ritters Schlafgemach, mit dem Gebot, kein Wort zu sprechen. Als der Ritter erwachte und sie sah, konnte sie ihr Verlangen nicht bezwingen und sprach ihn an. Daraufhin packte der Teufel sie und entführte sie. Am nächsten Morgen fand man Blut und Fleischfetzen an den Bäumen rings um die Burg. Seither spukt das Mädchen als ruheloser Geist auf der verlassenen Grasburg umher, mit einem Schlüsselbund an der Seite, und harrt auf Erlösung.
Diese Sage verbindet das Motiv der hingebungsvollen Liebe mit Elementen heidnischer Gottheiten wie Frau Holle, die als verzauberte Jungfrau oder Schlüsseljungfrau dargestellt wird. Der Tod der Jungfrau durch den Teufel erinnert an Faust-Motive und unterstreicht die Warnung vor Pakten mit dunklen Mächten.